Die 6. fährt nach Magdeburg

 

Am 26. August war es soweit: Eine Schar verwegener Schützenbrüder machte sich nach einem ambulanten flüssigen Frühstück auf dem Parkplatz eines einheimischen Kreditinstituts auf, neue Welten zu erkunden, auf in den Nahen Osten der Republik, auf nach Machdeburch(!).

Bevor die wackeren Recken jedoch die sachsen-anhaltische Hauptstadt eroberten, stärkten sie sich auf dem Euro Rastplatz Hohenwarsleben am Frühstücksbüffet. Hier stieß auch Schützenbruder Jürgen Lippert vom Schützenverein „Wellenberge“ aus Bebertal zu uns, um als ortskundiger Führer von nun an nicht mehr von unserer Seite zu weichen.


Vom Teufelsküchen-berg gab es einen ersten unscharfen Überblick über die Stadt, die uns bereits jetzt zu Füßen lag. Und dann ging es mitten hinein. Doch bevor wir unser erstes Etappenziel erreichten, fuhren wir durch die Otto Richter Straße. Unter Leitung von Bruno Taut wurden 1921 und 1922 (für die damalige Zeit spektakulär!) Teile der Putzfassaden in der Straße (bebaut von 1904 bis 1916) mit kräftigen farbigen bis „kreischend bunten“ Anstrichen versehen. Das Haus Nr. 2 erhielt die spektakuläre „Blitzfassade“. Die besonders expressionistische Gestaltung, die seit 1995 schrittweise rekonstruiert wurde, ist seit 2004 wiederhergestellt. 

Jetzt aber: Abtshof Spezialitäten Destillerie! Wir bekamen bei einer fachkundigen Führung durch die denkmalgeschützten Fabrikhallen einen Einblick in die Herstellung der dort produzierten verschiedenen Schnäpse. Und dann endlich ging es in den Keller. Auf den Spuren von Henri Toulouse-Lautrec, Vincent van Gogh, Paul Gauguin, Pablo Picasso, Oscar Wilde und Ernest Hemingway stiegen wir hinab in die spärlich beleuchtete Absinthhöhle. Schon auf den ausgetretenen, glitschigen Stufen schlug uns der Brodem des Anrüchigen entgegen. Verbotenen Sinnesfreuden entgegensehend tasteten wir uns an die schummrige Theke vor, wo spärlich bekleidete junge Damen uns immer und immer wieder den Nektar des Verbotenen auf die gierigen Lippen träufelten, kosten ließen vom Unaussprechlichen, bis wir uns schließlich doch noch, unter Aufbietung aller uns noch verbliebenen Kräfte, aus den Fängen der Sirenen des Thujon befreien und, immer noch delirierend, atemlos ans Licht des Tages entkommen konnten.

So oder so ähnlich hättet ihr es gern gehabt, gell? Tatsächlich lief alles wesentlich profaner ab: Wir kamen in einen in der Tat mäßig beleuchteten Kellerraum, durften ein kleines Glas Absinth mit Passionsfruchtsaft sowie einen Fingerhut Absinth 66 pur oder mit Eiswasser probieren und dann ging es mit der Führung trocken weiter. Den Abschluss bildete die Verkostung mehrerer interessant schmeckender Spirituosen.

Anschließend führte der Weg zum Steakrestaurant Bralo House am Dom, wo wir uns mit diversen kühlen Getränken stärkten. Bei der anschließenden Führung rund um den Magdeburger Dom waren mehrere Schützenbrüder bereits dermaßen ermattet, dass sie sich die Kultur verkniffen und lieber die Stühle im Bralo warm hielten.

Die Stadtführerin entpuppte sich nicht nur als sehr wortreich, sondern auch als gute Bekannte von Isolde und Werner Mayer. (Isolde stammt ja bekanntlich aus Magdeburg.)

Vorbei am Landtag von Sachsen-Anhalt, einem 1720 vom Festungsbaumeister Cornelius von Walrave erbauten Gebäudekomplex aus ursprünglich vier separaten Häusern mit seiner bürgerlich barocken Fassade ging es weiter zur Grünen Zitadelle.

         

Die Grüne Zitadelle, entworfen von Friedensreich Hundertwasser, wurde 2005 fertiggestellt. Es ist das letzte Projekt, an dem Hundertwasser vor seinem Tod gearbeitet hat. Sie umschließt zwei Innenhöfe, im größeren gibt es einen Springbrunnen. Aus keinem der Fenster sieht man zwei Fenster mit der gleichen Form. Der Name des Hauses hat seine Grundlage im grasbewachsenen Dach. Zudem befindet sich eine große Anzahl Bäume auf, im und am Gebäude. Einige wurden auf dem Dach gepflanzt und andere wurzeln an den Außenwänden der Wohnungen. Diese „Baummieter“ befinden sich in der Obhut des jeweiligen Mieters und werden von diesem gepflegt. Nach der Fertigstellung soll in den äußeren Zustand des Hauses möglichst nicht mehr eingegriffen werden. Durch das Wachsen der Bäume und das Verblassen der Außenfarbe soll es sich verändern und das Gefühl des Alterns eines Bauwerks vermitteln. Die Mieter haben das Fensterrecht, sie dürfen – soweit Arm und Pinsel reichen – die Fassade um ihre Fenster herum gestalten. In verschiedene Geländer des Gebäudes sind symbolisch einige der Werkzeuge eingearbeitet, mit denen die Handwerker tatsächlich gearbeitet haben.

Anschließend besuchten wir das Kloster Unser Lieben Frauen (gegründet ca. 1050, ab 1129 Prämonstratenserkloster), eine der bedeutendsten romanischen Anlagen in Deutschland. Heute werden die Gebäude als städtisches Kunstmuseum und Konzerthalle genutzt.

Dort lauerte auf uns, ohne dass er oder wir es wussten, ein Sohn der Stadt, nämlich der Barockstar Georg Philipp Telemann (Jahrgang 1681), um uns nach anfänglichem Geziere eine Kostprobe seines Könnens auf der Zugposaune darzubieten. Der Bläser des gezogenen Bleches stellte sich dann auch noch als Kollege des Chronisten heraus (Nein, das war nicht abgesprochen!).

Den Abschluss des Rundgangs bildete schließlich der Besuch des Magdeburger Doms (offizieller Name Dom zu Magdeburg St. Mauritius und Katharina). Er ist Predigtkirche der Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, evangelische Pfarrkirche und zugleich das Wahrzeichen der Stadt. Er ist die am frühesten fertiggestellte Kathedrale der Gotik auf deutschem Boden und wurde ab 1207 als Kathedrale des Erzbistums Magdeburg gebaut und im Jahr 1363 geweiht. Der Dom ist Grabkirche Ottos des Großen (Otto I.), erster Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und zusammen mit Otto von Guericke Namenspatron der „Ottostadt Magdeburg“.

Nach derart viel Kultur lechzten die ausgemergelten Körper nach Atzung und so fuhren wir schließlich nach Bebertal (von wo übrigens Telemanns Mutter, eine Pastorentochter, stammte), wo uns Schützenbrüder mit warmem Herzen und kühlem Bier empfingen. Damit nicht genug, gab es eine gebratene Kleinigkeit aus dem Laufwerk des Sus scrofa domesticus zu speisen, um den doch arg beanspruchten Kalorienhaushalt wieder auszugleichen.

 

Abgerundet wurde der Nachmittag mit einem freundschaftlichen Vergleichsschießen, dessen Ergebnisse für die vergnügliche Stimmung ohne Belang waren. Und nach ein paar weiteren sehr geselligen Stunden mit kühlen Getränken und Anekdoten aus dem wahren Leben machten wir uns schließlich wieder auf den sehr regnerischen Heimweg.

Unser herzlicher Dank geht an den Schützenführer, an alle Organisatoren, an die Fahrer und nicht zuletzt an die Schützenbrüder in Bebertal für diesen rundum tollen Tag!

Der Chronist